Wat un wer es ejentlich
»De Rheembaache Landsturm«?
Die gängige Definition, dass nämlich der Landsturm ein »Appendix« der Rheinbacher Stadtsoldaten sei, hat als griffige Formulierung einiges für sich. Er ist, unter der Leitung des unvergessenen Bernd Schmitz, Ende der sechziger Jahre aus einer kleinen Gruppe von Karnevalisten hervorgegangen, die alle dem Rheinbacher Stadtsoldaten-Corps angehörten oder nahestanden. Sie hatten sich im Rahmen der damals noch üblichen Karnevalssitzung der Rheinbacher Stadtverwaltung seit 1969 als freche und teilweise recht unbotmäßige Kommentatoren des städtischen Lebens profiliert, indem sie mit großem Erfolg kommunale Größen sowie jene, die es sein möchten, unter die Lupe oder auf die Schippe nahmen und durch den Kakao zogen.
Was aber die organisatorische Plattform angeht, so zeigte schon der selbstgewählte Name »Landsturm«, dass die erfolgreiche kleine Truppe es von Anfang an vorzog, trotz ihrer durchaus gewollten und gepflegten Nähe zum Stadtsoldaten-Corps ihre Unabhängigkeit zu bewahren, was zu eben jener Appendix-Situation geführt hat, wie sie noch heute besteht.
In den frühen siebziger Jahren verstärkte sich »dat Schmölzje« dann auf insgesamt etwa 10 – 12 Männer, und so ist es bis heute geblieben. Auch die gegenwärtigen Mitglieder sind als Landstürmer alle ausnahmslos Mitglieder des Rheinbacher Stadtsoldaten-Corps, was aber nicht bedeutet, dass der Landsturm mit den Stadtsoldaten identisch ist. Er ist eben ein »Appendix«, womit die Mediziner beispielsweise den Wurmfortsatz des Blinddarms bezeichnen: einen Wurmfortsatz, der eigentlich nicht nötig wäre, der aber gelegentlich infolge starker Reizung erhebliche Schmerzen bereiten kann. In diesem Rahmen präsentieren die gegenwärtig aktiven Landstürmer auf ihrer alljährlichen Sitzung eine schwer beschreibbare Mischung aus karnevalistischem Kabarett, Klamauk und bodenständigem Lokalkolorit. Dabei kann es nicht ausbleiben, dass es unter den Akteuren sowohl inhaltlich als auch in Mode- und Geschmacksfragen zu Meinungsverschiedenheiten, zu Kompromissen, oft aber auch zu einem bunten Nebeneinander der Generationen kommt, entsprechend der Altersabstufung innerhalb der Landstürmer selbst. Denn es gibt in der Truppe keine hierarchisch geordnete Vereinsstruktur und keine Satzung, es gibt keinen Vorsitzenden und keinen Schriftführer (weshalb, nebenbei bemerkt, der Umgang mit dem Landsturm für Außenstehende nicht immer einfach ist). »Der Appendix Landsturm« besteht also, so ein anderer Definitionsversuch, aus Individualisten und Einzelkämpfern, die sich alljährlich auf das gemeinsame Ziel einer Sitzung hin zusammenraufen, wobei der Begriff »raufen« die Entstehung und den Werdegang eines Sitzungsprogramms durchaus zutreffend umschreibt. [Josef Muhr]