Betrachtungen eines Freundes

An die
Mitglieder des Rheinbacher Landsturms,

ich hatte das Vergnügen, den Landsturm von seinen Anfängen an mitzuerleben. Daraus erwuchs Wertschätzung. Dies ist der Grund, der mich zu einigen Bemerkungen veranlasste, die ich in Freundschaft dem  Landsturm widme.

Der Landsturm erwuchs aus kleinen Anfängen:
Rat und Verwaltung mit Ehepartnern trafen sich zumindest seit 1964 alljährlich einmal ohne Programm im Sitzungssaal des Rathauses, um Karneval zu feiern. Die räumliche Enge sorgte für Atmosphäre und Stimmung.
Damals war – wie jedes folgende Jahr – auch Bernd Schmitz dabei. Er stand herum, machte sich nützlich und beobachtete. Man sprach, alle sprachen über Karneval! Wo ist unverwechselbarer Rheinbacher Karneval? Der Blick der Wissenden ging melancholisch in die Vergangenheit. Ja, die JuRheiKa (Junge Rheinbacher Karnevalsgesellschaft)! Waren das Zeiten!
Zwei spätere Landsturmmänner saßen damals im Rat als Ratsherr, beziehungsweise als sachkundiger Bürger. Als Bernd Schmitz die ersten Versuche unternahm, die Akteure der Stadt zu glossieren, führte das »Trio« im Rathaus vergessene Karnevalslieder wieder ein.

Nach der kommunalen Neuordnung 1969 lieferte der Landsturm alljährlich das Programm für den Stadtempfang; diese Veranstaltung gab die Stadt zu Ehren ihrer Prinzenpaare. Der Landsturm registrierte das Jahr über und setzte seine aktuellen Beobachtungen in Vorträge um: Erfolge, Niederlagen, Eitelkeiten und Gerüchte. Vielen hielt der Landsturm seinen Spiegel vor das Gesicht, auch sich selbst. Er fasste heiße Eisen an. Dabei lautete sein Motto: »Allen wohl und niemandem wehe«. Dass der Landsturm sein Motto ernst nahm, erkannten die »Opfer« zumindest bei nochmaligem Nachdenken. Der Verfasser kann dies aus eigener Erfahrung bestätigen.

So gewann der Landsturm eine besondere Autorität. Potenzielle Opfer vermieden möglichst das ganze Jahr über, Angriffsflächen zu bieten. Der besondere Reiz dieser Veranstaltungen bestand darin, dass diejenigen im Raum waren, denen die Gesänge des Landsturms galten. Genüsslich konnte man die Betroffenen betrachten. Und Schadenfreude ist Ja nichts Böses. Wir erlebten manche Höhepunkte in einem unverwechselbaren Rheinbacher Karneval.

»Feste fiere«, bei uns ein oft gehörter Ausdruck, kommt uns in den Sinn. Und Umzuge und Prunksitzungen beherrschen unseren Karneval. Rheinbacher Karneval ist somit in der Regel guter Kölner Karneval. Fragen wir dennoch nach Rheinbacher Eigenheiten, nach Rheinbacher Lokalkolorit. Der Landsturm macht unverwechselbaren Rheinbacher Karneval. Seine Vorträge spiegeln das örtliche Leben wieder; sie wirken auch ohne großen Pomp und Aufwand.

Einige Veränderungen sind inzwischen nicht mehr zu übersehen

  • Der Landsturm hat sich von Jahr zu Jahr gesteigert.
  • Es kam die große Bühnendekoration.
  • Die Begeisterung der Teilnehmer des Stadtempfanges führte zu dem Ruf nach öffentlichen Landsturmsitzungen der Bevölkerung.
  • Dem konnte der Landsturm sich nicht verschließen.

Der Stadtempfang unterscheidet sich von der öffentlichen Landsturmsitzung, von denen in jedem Jahr gleich mehrere stattfinden müssen, in einem wichtigen Punkt. Die Zielpersonen sind nicht bei jeder Veranstaltung anwesend. Deren direkte Ansprache wird nicht mehr wie früher möglich sein. Die Beobachtung der Reaktionen der Betroffenen hat letztlich doch sehr viel Spaß gemacht. Dem steht nicht entgegen, dass gerade auch die öffentlichen Sitzungen des Landsturms sehr große-– wenn auch ein wenig anders geartete Erfolge – darstellen.

Mit dem Jahr 1979 tritt der Landsturm nur noch öffentlich auf. Wer den Landsturm bei den Stadtempfängen kennengelernt hat, schätzt ihn. Viele empfinden Verbundenheit, Freundschaft und Dankbarkeit. Die ständige Weiterentwicklung des Landsturms in der Vergangenheit lässt auf weitere Entwicklungen in der Zukunft schließen. Sicher ist, dass er sich auch künftig an den örtlichen Ereignissen in Rheinbach orientiert. Möge ihm die Schärfe seines Spottes erhalten bleiben.

Möge ein eigenständiger und unverwechselbarer Karneval des Landsturms den Rheinbacher Bürgern noch viele Jahre Freude bringen. Mögen die Landsturmmänner ihren Spaß an der Freud nicht verlieren.

Rheinbach, den 8. Januar 1979                                            Heinrich Kalenberg